Vom Irak bis nach Syrien: Das brutale Vorgehen der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) trifft die Assyrer in ihrer Heimat in Syrien und im Irak immer härter. Die letzten Christen und Ureinwohner Mesopotamiens stellen sich machtlos gegen ihre Verfolgung und Vertreibung. Nun müssen sie auch noch ihre Tilgung aus der Geschichte erleiden.
Hunderttausende Assyrer wurden allein durch den Terror des IS im Irak im vergangenen Sommer zu Flüchtlingen. Auch in Syrien leiden Zehntausende Assyrer unter der Verfolgung durch dieselben Terroristen. Beim jüngsten IS Angriff auf das Khabour Gebiet in Nordostsyrien mussten über 10.000 assyrische Christen aus ihren Dörfern in die nahe gelegenen Städte Hassake und Qamishli fliehen. Zwischen 350 und 400 von ihnen, darunter Frauen und Kinder, wurden vom IS gefangen genommen und in die Städte Raqqa, Shadadi und ins Gebirge von Abdul Aziz verschleppt. In den Städten, in die sie geflohen sind, ist es aber längst nicht mehr sicher. In Hassake wurden neuerdings 60 weitere Assyrer entführt. Gemäß der bekannten Vorgehensweise des IS mit seinen Gefangenen schweben sie in großer Lebensgefahr. Unbestätigten Meldungen zufolge wurden bisher 15 von ihnen getötet.
Zerstörung einzigartiger Kulturgüter aus assyrischer Zeit bedeutet die Ausradierung einer Kultur
Obendrein schauen die Assyrer gerade machtlos der Tilgung ihrer Geschichte zu, die zum Weltkulturerbe gehört und einen wichtigen Teil des Gedächtnisses der Welt ausmacht. Ein Internetvideo der IS-Anhänger vom 26.02.2015 zeigt, wie Islamisten im Museum der Stadt Mossul und an der Grabungsstätte Ninive bedeutende Bildwerke aus altorientalischer Zeit zertrümmern. Darunter ist eine assyrische Türhüterfigur, die mehr als 2600 Jahre alt ist. Vor den Augen der Weltgemeinschaft und der Vereinten Nationen ereignet sich die systematische Auslöschung eines Volkes und dessen Kultur – eine ethnische Säuberung, die an die Methoden des SS erinnert. Der IS greift seit Jahren Museen an, plündert und zerstört antike assyrische Artefakte. Zeugnisse einer 7000 Jahre alten Kultur, die oft als „Wiege der Zivilisation“ bezeichnet wird und wesentlich zu Entwicklung und Fortschritt in zahlreichen Gebieten der Kunst und Wissenschaft beigetragen haben, werden vor den Augen der Weltöffentlichkeit platt gemacht.
Die Ironie ist zum Verzweifeln: Genau jetzt, wo sich der Genozid an den Assyrern im Jahre 1915 im Osmanischen Reich im April zum 100. Mal jährt, stehen die Assyrer in ihrer Heimat nun am Rande ihrer Auslöschung. Die letzten Verbliebenen werden umgebracht, verfolgt und vertrieben. Erst in Ninive (Mossul und Region) und jetzt in den Dörfern um den Khabour Fluss. Dabei waren 1933 schon deren Vorfahren aus Simele im Irak in das fruchtbare Khabour Gebiet geflohen, um dem in Simele stattfindenden Massaker durch die irakische Regierung zu entfliehen.
Der Zentralverband der Assyrischen Vereinigungen in Deutschland und Europäische Sektionen e.V. fordert die Weltgemeinschaft und die Vereinten Nationen zur humanitären Intervention auf. „Die UN muss Schutztruppen nach Syrien und in den Irak schicken, um die von Mord und Vertreibung betroffenen Menschen zu schützen. Die gefangenen assyrischen Christen im Khabour Gebiet müssen schnellstmöglich befreit werden“, so Johann Roumee, Vorsitzender des ZAVD: „Wir verurteilen zudem die Zerstörung der Kunstartefakte und fordern ein Vorgehen zur Ächtung von Raubgütern, durch die der Terror mitfinanziert wird.“